Kritik der mangelhaften Urteilskraft
Im allgemeinen ist das Medieninteresse an digitalen Diktiergeräten gering. Die FAZ hatte sich des Themas kürzlich einmal angenommen; nun hat FACTS – „Das Test- und Wirtschaftsmagazin für das moderne Büro“ die Thematik erneut aufgegriffen.
Vor genau einem Jahr (Heft 1-2/2002) kürte man das OLYMPUS DS-3000 als bestes Diktiergerät. Der aktuelle Test im Heft 1-2/2003 umfaßte eine weitaus größere Zahl von Testkandidaten – kein Wunder, da es sich doch um „Modelle der unteren Mittelklasse“ handeln sollte.
Wie der Test der 8 Geräte im einzelnen ausgefallen ist, sei an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt; dafür empfiehlt sich der Blick in die FACTS. Ein Blick ins Magazin ermöglicht darüber hinaus dann auch die Bewertung unserer Kritik an den Testern, um die es hier geht.
Zunächst einmal finden wir die Kategorisierung einer „unteren Mittelklasse“ gewagt. Da alle Modelle am Markt im Prinzip mit einem Blick erfaßt sind, muß die Frage erlaubt sein, was denn dann die „Mittelklasse“ und die „obere Mittelklasse“ sein soll. Und ob die Oberklasse nur aus einem Gerät besteht? (Ja!)
Während man den Kategorisierungseifer noch als test-journalistische Finesse abtun kann, verhageln einem die Testkriterien die Stimmung. Hier werden Schwerpunkte gesetzt, die dem Diktiergeräte Praktiker bei einer Kaufentscheidung gleichgültig sein können oder ihn sogar zur falschen Entscheidung führen. Es als Vorteil herauszustellen, daß ein Gerät 340 Verzeichnisse für 965 Dateien anlegen kann, zeugt von mangelnder Kenntnis der Arbeitstechnik Diktieren. Auch der PC Anschlußmöglichkeit „für viele Windows Versionen“ gebührt nicht die Bedeutung eines Produktmerkmals, welches zwei Testsieger auszeichnet. Wichtige funktionale Unterscheidungsmerkmale wie bspw. die Möglichkeit des Übersprechens, partiellen Löschens oder das Fehlen eines Uhrzeit- und Datumseintrags für Diktate werden den getesteten Geräten dagegen nicht bescheinigt oder nicht einmal erwähnt.
Das Dilemma der Unterlassungen setzt sich bei der Bewertung der verwendeten Speichermedien oder der Aufzeichnungsformate von Diktaten fort. Anwender, die beim beabsichtigten Datenaustausch mit anderen auf inkompatibles Equipment stießen, sind in der täglichen Verkaufspraxis keine Ausnahme, sondern häufig anzutreffen. Anstelle der Klage über verschiedene Speichermedien wäre eine Bewertung entsprechend deren Verbreitung oder die Abwertung proprietärer Medien sinnvoll gewesen. Ein Hinweis auf das einzige internationale Format für Sprachaufzeichnungen (DSS) ist in einem solchen Artikel unverzichtbar. Ebenso unentbehrlich sind Angaben zum Gerätekontext, in welchem die „digitalen Diener“ stehen. Gibt es ein Fußschalter-Equipment, mit dem die Transkription der Diktate effizient vorzunehmen ist? Bietet der Hersteller Adapter für seine Speichermedien oder Mikrofone für besondere Aufnahmesituationen an? Sind die Geräte von Hersteller X abwärtskompatibel?
Der im Bereich digitaler Diktiergeräte wichtigen Anwendungssoftware widmen die Tester ein briefmarkengroßes Kästchen mit dem Satz, daß sie den meisten Diktiergeräten beiliegt. Kein Wort zur Bedienungsfreundlichkeit, zur Anmutung auf dem Bildschirm oder gar zum Funktionsumfang.
In der tabellarischen Übersicht aller Handdiktiergeräte offenbart sich die flüchtige Beschäftigung mit dem Testgegenstand in fehlerhaften Angaben zum Preis, zum mitgelieferten Zubehör und zu den Computer Betriebssystemvoraussetzungen. Den Umständen, daß Gerät Y bedenklich kleine Bedientasten hat oder einen Schiebeschalter zur Diktatsteuerung schenkten die Tester keine Beachtung. Genau diese Details sind jedoch häufig entscheidungsrelevant.
Insofern, liebe Leute von FACTS, auf zur nächsten Runde. Unter Fachjournalismus verstehen wir etwas anderes. Nur wegen der guten Absicht bewerten wir den Artikel im Heft 1-2/2003 noch mit dem Prädikat ausreichend.