Wie man den Teufel mit dem Belzebub austreibt
In und um die größeren Ausschreibungen des laufenden Jahres (Justiz NRW, Justiz Hessen, Universitätsklinikum Heidelberg) wird immer wieder thematisiert, ob die anzubietende digitale Diktiertechnik mit vorhandenem analogem Equipment kompatibel sei. Gemeint ist damit vor allem, ob vorhandene Kopfhörer und Fußschalter nachgenutzt werden könnten, wenn die mit digitalen Diktiergeräten erzeugten Aufnahmen an einem Rechner zur Transkription wiedergegeben werden. Potentielle Auftraggeber tragen diese Erwartung mit der Begründung vor, dass erhebliche Kosteneinsparungen mit derartigen Angeboten erzielt werden. Auf den ersten Blick ist das nachvollziehbar: Wenn 5.000 analoge Fußschalter bei dem einen oder anderen Auftraggeber im Einsatz sind, ergibt sich aus der ersparten Anschaffung ein ordentliches Pöstchen. Beim zweiten Blick zeigt sich, dass der errechnete Vorteil trügerisch ist.
Für Angebote, welche die Nachnutzung von analogem oder die parallele Nutzung von analogem und digitalem Equipment ermöglichen, steht derzeit nur ein namhafter Hersteller. GRUNDIG bietet zum einen die Digta Soundbox 820 USB und zum anderen die Stenorette Sd 4240 an. Erstere ermöglicht die Nachnutzung von GRUNDIG Kopfhörern und Fußschaltern aus der analogen Zeit. Letztere ist eine Art Dockingstation für analoge GRUNDIG Tischgeräte, die gleichzeitig das Auslesen von MMC/SD Karten ermöglicht, auf denen sich digital gespeicherte Sprachaufzeichnungen befinden.
Unzweifelhaft sind beide Produkte mit jeweils spezifischen Vorteilen behaftet. Der Soundbox könnte man (Konjunktiv!) beispielsweise zugute halten, dass sie möglichen Komplikationen mit minderwertigen Soundkarten vorbeugt — wenngleich diesem Vorteil sofort das Argument entgegenstände, dass auch die Neuanschaffung einer ordentlichen Soundkarte heute wirklich keine Investition mehr darstellt. Aber diese Diskussion ist hier nicht die Frage. Wir fragen uns ja vielmehr, ob Soundbox oder Sd 4240 hinsichtlich der Nachnutzung analogen Inventars den ihnen zugeschriebenen Sinn machen.
Zur ersten Einsicht verhilft, dass GRUNDIG-Kopfhörer, -Fußschalter und -Diktiermikrofone bis zum heutigen Tage über proprietäre Anschlüsse verfügen. Konsequenterweise ist auch die Soundbox mit proprietären Schnittstellen ausgestattet. (siehe Abbildung) Bei der Sd 4240 verhält es sich entsprechend: Das Gerät ist für GRUNDIG Wiedergabestationen ausgelegt. Aus der Sicht des Herstellers sind diese Einschränkungen folgerichtig und legitim. Für einen Einkäufer bedeuten sie, dass der vermeintliche Vorteil der Nachnutzung analogen Zubehörs die Bindung an dessen Hersteller zementiert. Denn auch beim Ausfall des so in die Neuzeit geretteten Kopfhörers kann die Ersatzbeschaffung unmöglich über den Wettbewerb vorgenommen werden.
Der Altersprozeß des in die digitale Welt gehobenen Zubehörs führt zum zweiten Einwand gegen die Bedeutsamkeit seiner Nachnutzung. Die begrenzte Lebenszeit eines Kopfhörers oder Fußschalters berechtigt zur Frage, wie hoch der Aufwand zur Bewahrung solcher Artikel sein sollte. So hoch, wie die Anschaffungskosten einer lebensverlängernden Schnittstelle? Aus unserer Sicht dürfte das nur in Einzelfällen die richtige Rechnung sein. Denn mit einer Neuanschaffung steht ein unverbrauchtes Produkt am Arbeitsplatz, das mit den vollen Garantie- und Gewährleistungsrechten dahergekommen ist.
Eigentlich aufregend wird das Sinnieren über den Jungbrunnen analoger Diktiertechnik aber erst, wenn wir ihn als Wegbereiter bei der Beschaffung digitaler Diktiersysteme qualitativ betrachten. Dass es sich um einen Irrweg handelt, wird am anschaulichsten, wenn die Nachnutzung analogen Zubehörs, und das ist schon vorgekommen, zur BEDINGUNG für die Investition in digitale Diktiergeräte gemacht wird. Unverkennbar kommt es in diesem Moment zur Vernachlässigung aller anderen Angebotsbestandteile und somit des Effizienzgewinns, der eine Umstellung von analoger auf digitale Diktiertechnik hauptsächlich zu rechtfertigen hat.
Die funktional komplexe Hard- und Software der marktführenden Diktiergeräte-Hersteller führt zur Umstrukturierung von Arbeitsprozessen und neuen Arbeitsweisen. Der Umstand, dass ein digitales Endgerät beispielsweise der HID Class angehört, – und somit für Drittsoftware besonders leicht steuerbar ist -, fällt weit schwerer ins Gewicht als ein bewahrtes Altgerät. Oder anders gesprochen: Mein altes Handy habe ich meiner dreijährigen Tochter geschenkt. Und beim Kauf meines neuen Modells habe ich mich überhaupt nicht um den verbliebenen Akku geschert.