Diktiermikrofone haben zu modernen Handdiktiergeräten wie dem DS-5000 oder dem DPM-9600 ein Verhältnis wie das gute alte Festnetztelefon zum Handy: Weitab vom Hosentaschenformat verströmen sie den Charme der fünfziger, sechziger Jahre. Sie mögen mit den besten Wünschen global-ästhetisierender Designer auf den Weg gebracht sein — in der Vorstellung stolpert man stets über ein schwarzes Kabel. Und über die desillusionierenden Synonyme „Knüppel“, „Banane“, „Knochen“, mit welchen der Senior der Kanzlei sein Arbeitsgerät jahraus, jahrein bezeichnete, bis sie auch der Junior übernahm.
Zugegeben, seit etwa 15 Jahren verzeichnet PHILIPS die besten Erfolge bei der Ausmerzung der liebevoll-despektierlichen Gerätebezeichnungen. SpeechMikes heißen Diktiermikrofone seitdem, sind nicht mehr mit der analogen Tischstation sondern mit einem PC verbunden. Sogar das Kabel ist beim neuesten Modell — dem SpeechMike Air — entbehrlich geworden. In diesem Fall wandert die Autorenstimme via Bluetooth ins digitale Bandlaufwerk. Aber das ist die Ausnahme. Den Großteil seiner SpeechMikes verkauft der Marktführer dieser Geräteklasse kabelgebunden. Um die 8.000 Stück dürften es jährlich allein in Deutschland sein.
Solche Zahlen lassen sich mit gewohnheitsmäßigen Anwendern, deren Geburtsjahr vor der Mitte des letzten Jahrhunderts liegt und die deshalb einen Bogen um die schicken Handdiktiergeräte machen, kaum erklären. Auch ein Kauf auf Grund bloßer Produktverfügbarkeit ist bei professionellen Verwendern, die ein unentbehrliches Arbeitsmittel mit hoher Aufmerksamkeit erwerben, auszuschließen. Weshalb also greifen vergleichsweise viele Autoren zum zum Diktiermikrofon statt zum mobilen Diktiergerät?
Teilweise läßt sich das mit dem Vorgang erklären, den das Diktieren selbst darstellt. Wir haben an dieser Stelle des öfteren betont, dass wir das Diktieren für eine Fertigkeit mit einem besonderen sozio-kulturellen Hintergrund halten. Jedermann hat nie diktiert. Jedermann konnte auch nie diktieren — schon weil das Abfassen eines Diktats, im Gegensatz zum akustischen Memo, die gedankliche Leistung erfordert, das Auszudrückende in Bezug auf das Ausdrucksziel weiträumig vorzuformulieren und zügig auszusprechen. Professionelle Autoren können das quasi druckreif. Aber nur wenige können es auch noch in jeder Lebenslage, zu jeder Zeit und an jedem Ort, auch nicht mit jedem Gerät.— iPod & Co. sind unserer Meinung nach dafür derzeit bei weitem noch nicht so geeignet wie manch wohlmeinende Besprechung glauben macht.
Routinierte Diktanten kommen selbstverständlich mit den mobilen DS-5000 oder DPM-9600 bestens zurecht. Es sind Spezialgeräte, die einzig und allein zum Zwecke des Diktierens entwickelt wurden und zudem noch den Mehrwert der Beweglichkeit bieten. Das mag die Bewegung des Autors zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen betreffen oder auch das Auf- und Abgehen während Diktats, bei dem manch einer sich besser konzentrieren kann. Oftmals wird diese Konzentration aber auch mit dem Niederlassen auf dem angestammten Arbeitsplatz erreicht: Man blickt auf die Tastatur, den Bildschirm, die Akte, das gerahmte Familienfoto, verliert die Fokussierung — und die Konzentration ist da. In diesem Falle benötigt man die preisaufwendigeren Handdiktiergeräte selbstverständlich nicht. Aber auch das ständige Nachschlagen in Quellen, die Begutachtung von bspw. Röntgenbildern oder die Nutzung der Online-Spracherkennung sprechen gegen Bewegung und für Diktiermikrofone. Auf Grund des entfallenen Miniaturisierungszwanges warten die nämlich haptisch mit dem größten Komfort aller Geräte zur Spracheingabe auf: Man kann sie wirklich ANFASSEN. Die Tastknöpfe und Schalter sind groß und befinden sich nicht nur in werbe-ergonomischen Abständen zueinander, sondern in den für die menschliche Hand tatsächlich geeigneten. Nach 3, 4 Stunden Diktat weiß man das zu schätzen, bei 20 Diktatstunden wöchentlich gerät man in die Beratungsresistenz gegenüber kleineren Geräten und liebt seinen „Knochen“. Siehe oben.
Die verschworene Gemeinschaft der ”Hardcore-Diktanten” hat der Hersteller OLYMPUS schon seit längerem im Auge. Mit den DIRECTREC DR-1000 und DR-2000 wagte man vor vielleicht 3 Jahren einen ersten, durchaus respektierlichen Ausflug in die angestammte Domäne von PHILIPS. Aktuell fordert man den Platzhirsch viel vehementer heraus. Gleich 4 Modelle sind ab sofort verfügbar, die sich in Bezug auf Bedienelemente und Aufsteckoption unterscheiden, mit und ohne die hervorragende Diktatverwaltungssoftware DSS Player Pro zu haben sind: DR-2300, DR-2200, DR-2100 und DR-1200.
Die optische Anmutung dieser Geräte ist unserer Meinung nach auffallend gut: Das gelungene Retro Design spielt mit zwei wertigen silber-grauen Tönen, die Bedienelemente sind in noch dunklerem schwarz-grau oder aber silbern abgesetzt. Auch haptisch hat man sich offensichtlich hohen Maßstäben verschrieben: Die neuen Mikrofone liegen gut in der Hand und haben das notwendige Gewicht für Steuergeräte, an denen man Drücken und Schieben muß. Der Schiebeschalter ist — wie bei OLYMPUS üblich — hervorragend gearbeitet. Er hat eine praktisch ausgeformte Daumen-Noppe, ist leichtgängig, geräuscharm und rastet präzise ein. Der Trackball, mit dem 3 Modelle ausgestattet sind, ist aus Vollmetall, läßt sich leicht und doch mit dem erforderlichen Reibungswiderstand bewegen, so dass präzise Cursorbewegungen auf dem Bildschirm möglich sind. Die neben dem Trackball befindlichen Tasten sind gut zu erreichen und sprechen eindeutig an. Der aufzubringende Druck ist klar definiert, die taktilen Rückmeldungen überaus angenehm. Das gilt übrigens für alle Tasten im Bereich der oberen zwei Drittel der Modelle. Etwas schwieriger ist der Zugriff auf die 4 Funktionstasten im unteren Drittel der Geräte: Hier muß u.U. umgegriffen werden, um sie auszulösen. Sofern diese Notwendigkeit besteht, wird sie allerdings gut durch eine Auswölbung auf der Rückseite unterstützt, die dem Abrutschen der Hand entgegen wirkt. Das ist ein annehmbarer Kompromiß. Mit der fünften Funktionstaste können wir uns dagegen kaum anfreunden. Sie liegt, wie schon beim DR-2000 auf der Rückseite des Geräts, jedoch fast schon in die bereits genannte Wölbung versenkt. Das ist unhandlich, weil es bei abwechselnden Druckbewegungen auf Ober- und Unterseite durchaus zu Fehlbedienungen kommen kann. Wirklich auszuschließen ist das nur durch die Belegung der fünften Funktionstaste mit einem Befehl, der außerhalb des Diktatprozesses steht oder diesen abschließt.
Soweit zur Hardware. Unsere Tests erzeugten akustisch saubere und für Spracherkennungsprogramme einwandfreie Aufnahmen, die wir uns wahlweise auf dem PC/Mac oder über die in die DR-Geräte nunmehr vorderseitig gebauten Lautsprecher anhören konnten. Aber die Software: Der Device Configuration Manager, der zu jedem DIRECTREC gehört und bspw. für die Einstellung der vorgenannten Funktionstasten für die Zusammenarbeit mit Dragon Naturally Speaking zuständig ist, wird von OLYMPUS derzeit nicht ausgeliefert. Zu viele Fehlfunktionen! Auch der DSS Player Pro, der die Diktatverwaltung der Wahl für die Mikrofone wäre, erkennt deren Tastenbedienungen nur rudimentär. Mit dem USB Port gibt es schwerwiegende Probleme: Einmal werden die Geräte erkannt, ein anderes Mal nicht; ein Neustart des Rechners führt nicht in jedem Fall zur gewünschten Gerätenutzung. Wir kennen bessere Spielwiesen als die Systemerweiterungen von Bürorechnern — und funktionierende OLYMPUS Geräte zuhauf…
Dies bleibt denn auch der Trost: Dass der Hersteller schnellstmöglich seine Software nachbessert und den neuen Diktiermikrofonen so zum möglichen Erfolg im Wettbewerb verhilft. Die Vieldiktierer würden es ihm wahrscheinlich danken.
DAZ Diktiertechnik